Überraschung: Die Berliner Polizei hat Plakatwerbung im öffentlichen Raum trotz steigendem Etat gestoppt. Statt dessen gibt die Behörde ihr Werbegeld verstärkt im Internet aus. Ein Grund dafür: Die ständigen Adbustings?
Keine Polizeiwerbung mehr?
Ende Juni: In Berlin beginnen die Sommerferien. Das bedeutet Hochspannung beim Zentralkomitee der hauptstädtischen Kommunikationsguerilla. Denn nun steigt mit jedem Tag die Chance, auf Werbeplakate der Berliner Polizei zu treffen, die unter den Schulabgänger*innen um Nachwuchs buhlen. Woche für Woche vergeht, doch nichts passiert.
Zwar werben die Landespolizei Brandenburg, das Ordnungsamt, die Bundespolizei, der Justizschläger*innendienst und der Zoll um Mitarbeiter*innen. Doch von Plakatwerbung der Berliner Polizei ist das ganze Jahr 2021 nichts zu sehen. Woche für Woche muss die Kommunikationsguerilla ihre Aktionen verschieben: „Und irgendwann war Oktober und wir mussten einsehen, dass die Landespolizei Berlin offensichtlich beschlossen hat, auf Propaganda-Poster im öffentlichen Raum zu verzichten“ sagt Barbara Jendro, die Sprecher*in der Kommunikationsguerilla-Gruppe Polizei abschaffen. „Daraufhin haben wir erstmal Krim-Sektkorken knallen lassen!“
Werbeetat steigt
Dabei zeigen parlamentarische Anfragen: Die Ausgaben der Polizei für Werbung steigen. 2019 waren lediglich 190.000 Euro „für die Imagekampagne der Polizei Berlin zur Verfügung, die sich sowohl an die Mitarbeitenden der Polizei Berlin als auch an die externe Öffentlichkeit richtet.“ 2020 standen bereits 300.000 Euro im Etat. Doch statt das Geld in Plakate auf der Straße zu investieren, stopfen die staatlich bezahlten Gewalttäter*innen das Geld offensichtlich neuerdings lieber ins Internet.
Die Berliner Polizei ist eine relativ kleine Behörde. Ihre 300.000 Euro Werbeetat sind im Vergleich z.B. mit der Bundeswehr mit 35 Millionen gar nichts. Selbst die BVG hat rund 3,5 Mio. Euro pro
Jahr für Werbung zur Verfügung. Der Vergleich mit der BVG zeigt aber auch, wie ungewöhnlich der Gang ins Internet ist, denn die Verkehrsgesellschaft verballert 72% ihres Etats mit Plakate auf der Straße (siehe S. 23). Doch die BVG muss sich nicht so wie die Cops ständig mit Adbusting-Aktionen rumschlagen.
Polizei ist Adbustings leid
Offensichtlich ist man deshalb bei der Berliner Polizei den Ärger mit den Adbustings leid. Nun verzichten die staatlich bezahlten Gewalttäter*innen deshalb auf Außenwerbung mit Plakaten im öffentlichen Raum. „Wir hätten nie gedacht, dass es mit so kleinen Aktionen möglich sein könnte, die staatlich bezahlten Gewälttäter*innen mit ihrer Propaganda aus dem öffentlichen Raum zu drängen“ sagt Barbara Jendro. „Da sieht man, was für große Erfolge auch kleinen Gruppen mit langem Atem und kreativen Ideen möglich sind.“
Adbustings machen Eindruck
Das die polizeikritischen Adbusting-Aktionen der letzten Jahre massiven Eindruck auf die Cops in Berlin machten, deutete sich bereits an. 2019 bekamen polizei-kritsiche Adbustings eine halbe Seite im Bundesverfassungsbericht. 2018 und 2019 meldeten die Berliner Behörden drei Adbusting-Aktionen ans Terrorabwehrzentrum GETZ. Es fanden mindestens fünf Hausdurchsuchungen wegen beklebter Werbeposter statt. Akten zeigen außerdem, dass das LKA mindestens 10 Werbeposter auf DNA-Spuren untersuchen lies.
Doch nicht strafbar?
Ab Ende 2019 wendete sich jedoch das Blatt. In einem ersten Gerichtsprozess konnten trotz dreistündiger Verhandlung die aussagenden Staatsschützer*innen nicht erklären, wo die Strafbarkeit liegen soll, wenn Leute eigene Poster in Werbevitrinen hängen. Die danach einsetzenden Soli-Kampagnen mit parlamentarischen Anfragen und die Berichterstattung darüber sorgte dafür, dass die Staatsanwaltschaft Berlin mit einem Beschluss dies noch einmal klar stellte und der Polizei eine Hausdurchsuchung verbot. Im Sommer 2020 stricht Das Bundesinnenministerium Adbustig aus dem „Verfassungsschutzbericht“, weil die Ministerialen festgestellt hatten, dass Adbusting doch nicht gewalttätig ist. Eine parlamentarische Anfrage zeigte außerdem Ende 2020, dass das Terrorabwehrzentrum GETZ wegen all der blöden Nachfragen die Beschäfftigung mit Adbusting eingestellt hat.
Zielscheibe Polizei-Werbung
Gleichzeitig provozierte die Polizei mit ihren Vorgehen gegen Adbusting die Berliner Kommunikationsguerilla-Szene. Im Sebtember 2019 mussten die Cops hilflos mit ansehen, wie stadtweit ihre Werbeplakate verändert wurden. Dank Aufklebern wurde aus „Wir kämpfen für das Recht“ der Satz „Wir scheißen auf das Recht.“ Aus „Die Waffen der Frau? Die gleichen wie die der Männer“ machten Adbuster*innen „Die Waffen der Polizei? Rassismus, Sexismus, Gewalt.“ Angesichts dieser Aktion opferte Benjamin Jendro, Pressesprecher*in der Berliner GdP auf Twitter: „Das ist keine Meinungsäußerung, sondern perfide, menschenverachtend und armselig – kann nicht sein, dass das stärkste Mittel des Rechtsstaats gegen solche Perversion das Kunsturheberrecht ist.“
Guerilla-Pressekonferenz
Auch Anfang Dezember 2020 zeigt die Berliner Polizei ihre Hilflosigkeit im Umgang mit Adbusting. Die Gruppe „Polizei abschaffen“ hatte stadtweit selbstgemachte Poster mit Kritik an der Polizei unerlaubt in 50 Werbevitrinen platziert. Das Finale der Aktion: Eine Guerilla-Pressekonferenz vor dem Eingang des LKAs am Tempelhofer Damm, bei der die Aktivist*innen mit einem letzten extra dafür aufbewahrtem Poster demonstrieren wollten, wie Adbusting funktioniert. Die Polizei platzierte eine halbe Hundertschaft um dies zu verhindern. Die Akte zum Vorgang zeigt, dass der Stab der Polizeipräsident*in die Einsatzleitung an die Kette legte, und befahl, dass die „Pressekonferenz“ wie eine „Pressekonferenz“ zu behandeln sei. Diese fanden das gar nicht gut und fühlten sich durch die zutreffende Bezeichnung „Rechtsbrecher*in“ derart beleidigt, dass sie Anzeige erstatteten.
Störpropaganda?
Wie krass der Staatsschutz wegen Adbustings intern unter Druck steht, zeigte sich auch im Juni 2021. Anlässlich von Mobi-Aktionen zum „Tag ohne Bundeswehr“ leitete die Behörde ein Ermittlungsverfahren wegen „Störpropaganda gegen die Bundeswehr“ ein. Markus Hornberger, Bundessprecher*in der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsgegner*innen (DFG-VK) erstattete deshalb Anzeigen wegen „Verfolgung Unschuldiger“: „Auch für juristische Laien ist ersichtlich, dass der Straftatbestand nicht erfüllt wurde. Schon ein Anfangsverdacht für eine strafrechtliche Ermittlung ist offensichtlich nicht gegeben, da eine solche Plakat- und Flyeraktion nicht in der Lage ist, die Bundeswehr bei der Landesverteidigung zu stören, wie es der § 109d als Tatbestandsmerkmal fordert”, erklärt der DFG-VK Bundessprecher.
Fazit
Berliner Polizei, Terrorabwehrzentrum GETZ, Bundesamt für Verfassungsschutz: Sie alle haben sich an der Adbusting-Kommunikationsguerilla die Finger verbrannt. Was den Adbuster*innen dabei zugute kommt:
– Die Behörden hassen schlechte Berichterstattung, haben allerdinsg keinerlei Fehlerkultur und ein permanentes Problem mit Machtmissbrauch. So kann man in einer öffentlichen Auseinandersetzung, in der einfach erstmal draufhauen, wie es die Cops gern tun, nichtzielführend ist, schwer bestehen. Gerade in 2020/21 als mit „Black Live Matters“ eine erhöhte mediale Sensibilität für Polizeigewalt und polizeilichen Rassismus über den Atlantik schwappte, ist das von Bedeutetung.
– Außerdem lähmt die Behörden ihr relativ kleiner Etat. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz schaltete seit Februar 2020 keine Werbung im öffentlichen Raum mehr, nachdem der Geheimdienst es mit Adbustings und der entsprechenden Berichterstattung zu tun bekam.
– Allerdings sollte man auch die Frage stellen, warum solche Erfolge nicht öfter vorkommen. Viel zu oft duckt sich die ach so radikale Linke bei Repression einfach weg, statt entschlossen dagegen vorzugehen. Denn auch in der radikalen Linken gibt es wenig kritische Fehlerkultur und jede Menge dumme Szenecodes. Außerdem beschränken viele ihr Engagement auf den jeweils hippen Wochenend-Aktivismus, der sich dann oft wenig von Klassenfahrten unterscheidet.
„Wir machen jetzt erstmal Urlaub. Um die Poster der Landespolizei Brandenburg, des Ordnungsamts, der Bundespolizei, des Justizschläger*innendienst und des Zolls kann sich wer anders kümmern“ sagt Barbara Jendro. „Schließlich haben wir hier in Berlin die größte autonome Szene Europas, und da müssen wir nicht alles machen.“